Essays


Malen, was sonst

Rede von Gerhard Schaugg anlässlich der Ausstellung »w.franz« Malerei, 1992  

Wir sehen uns einem Bildangebot gegenüber von dem im ersten Gewahrwerden eine große Herausforderung ausgeht. Hedonismus. “Bildervergnügen”. Das gesamte Erscheinungsbild ist geprägt von einem intuitiv spürbaren Mitteilungswillen. Wie sonst könnte diese engagierte Malweise verstanden werden, wenn nicht als konzentrierter Ausdruck einer Mitteilungsabsicht. Im gestischen Duktus der Bildorganismen drückt sich diese Intention eindeutig aus. Schmale bis mittelgroße Farbbahnen in großen Schwüngen oder Bögen, kurz hiebartig oder in langen Geraden angelegt sind deutliche Spur der intensiven Motorik des Malers.

Zumindest auf der ersten Ebene ästhetischer Kommunikation zwischen Maler und Bild, sind schnelle, heftige Impulse erkennbar. Ästhetische, auf den Sehsinn hin angelegte Artikulation, scheint hier als Kommunikationsprinzip zu direkter Mitteilung genutzt zu werden.
Malen, was sonst, so scheint sich diese Form der Mitteilung selbst zu begründen. Wolfgang Franz, Maler und Hersteller der Bilder, zeigt in dieser Ausstellung eine Weiterentwicklung und Entfaltung jener Bildsprache.

Verstärkt zeigt sich eine Hinwendung zum Prozess. Das heißt für mich, der Malvorgang selbst wird zunehmend inhaltlich bedeutsam. Er bestimmt gleichgewichtig zur Gegenstandsaussage, oft aber auch überwiegend das Seherlebnis. Meine Wahrnehmung aktiviert Erinnerungen und Vorstellungen einer heftigen Motorik, vor intensiven emotional gesteuerten Handlungsabläufen mit Phasen der Aktion und Reaktion. Es geht um Standhalten, um Bestehen können in der Herausforderung. Dies wird prozesshaft erfahren und prozesshaft bewältigt. Die im Prozess sich anbietende Lösung scheint mir zu sein, dass der handelnde Maler sich so weit zurücknimmt bis Frage und Antwort, Impuls und Reaktion einander begegnen, dass unter Ausschluss der Ratio in einer Art ästhetischem Denken Entscheidungen zustande kommen. Wobei die Bildanstöße, wenn wir die Heftigkeit der Aktionen beachten,als große Herausforderungen erfahren werden müssen. Unter dem Eindruck der ästhetischen Sprache dieser Bilder scheint der Verlauf und das Ergebnis des Malprozesses zwingend. Hypothetisch könnte aber auch eine andere Entwicklung einsetzen. Denkbar wäre auch ein bildnerisches Verhalten, das auf Bewältigung im Sinne von Versöhnung ausgelegt ist. Es wären spannungsreiche Bilder denkbar und vorstellbar die mit polaren Entgegensetzungen arbeiten. Balance.

In den uns hier vorgestellten Arbeiten ist Versöhnung nicht in Sicht. Sie scheint, wenn wir die bisherige Arbeit von Wolfgang Franz überblicken, bisher nicht möglich zu sein. Konsequent verweigert er sich der ästhetischen Konvention im Sinne des schönen Bildes. Gestattet er Farben eine komplementäre oder simultane Beziehung zueinander im Sinne reiner Farbakkorde, so nutzt er sie zu expressiver Steigerung. So wird die Malerei immer wieder ihrer tradierten Mechanismen und Mittel beraubt, sie wird verwiesen auf jeweilig neu zu entwickelnde Möglichkeiten. Indem bewährte Lösungen farbiger, kompositorischer, allgemein wildstruktureller Art ausgesetzt werden, entsteht eine permanente Bildkrise.

Malerei oder Nichtmalerei. Grenzen der Kunst als System mit Übereinkünften.

Weil diese Krise nicht im Horizont von Versöhnung geschieht, ist auch die Möglichkeit des Scheiterns den Bilder eingeschrieben. Zumindest taucht sie in den Erinnerungen der Wahrnehmenden auf. Die Bildkrise wird zur Krise des Betrachters.

Die von mir zu Beginn festgestellte Herausforderung der Bilder hat darin wohl ihren Grund. Der Betrachter erlebt Bilder mit krisenhafter Entwicklung. Er wird aufgefordert hypothetisch Möglichkeiten der Weiterentwicklung zu produzieren. Auf diese Weise ist die Ebene der Mittel zur inhaltlichen Ebene geworden. Die Mittel selbst, Farben, Formen und freie Linien sind in der Art und Weise ihrer Beteiligung an den Prozessen zu Inhaltsträgern geworden. Dies kann durchaus in konkreter Verbindung mit Entwicklungen und Bewegungen gesellschaftlicher Art in Verbindung gesetzt werden. Wir registrieren auch hier eine Verlagerung der treibenden Kräfte auf die Strukturebene. Eine eigenartige strukturelle Eigendynamik im ökonomischen und ökologischen politischen Bereich produziert Krisen und Herausforderungen globaler Art. Die Arbeit von Wolfgang Franz ist, das wird ebenfalls im ersten Wahrnehmen deutlich, stark geprägt von grafischen Elementen. Diese wiederum haben ihren Ursprung und ihre inhaltlichen Verweise in der menschlichen Figur. Wolfgang Franz hat die Welt, den Zustand der Welt immer in der Begegnung mit Menschen erfahren. Dies prägt seine Malerei auf der Ebene der Zeichen. Sein Interesse konzentriert sich dabei auf Gesicht und Hände.

Bisweilen grotesk unterzeichnet nähert sich die Darstellung bzw. inhaltliche Erwähnung des Menschen der Karikatur.Die Charakteristika einzelner Körpermerkmale ist zum Typischen und Typisierenden weiterentwickelt.Dies geht im Grad der Spontanität oft parallel mit der Erscheinungsform der Malerei.Im Akt der Feinschreibens in die Farbmaterie geschieht ein Verweis auf die Verzahnung von Struktur und menschlichem Schicksal.Die groteske Gesichtsveränderung bis hin zur Fratze verweist auf die Beschädigung des Menschen,auf den Verlust an Würde.

Im expressiv aktiven Verhalten der Figuren zeigt sich das strukturell malerisch angelegte Bestehen wollen auch als aktiv angelegte Komponente.Die Figuren behaupten sich im Bild.Zumindest melden sie diesen Anspruch an.Bei einigen Figurformationen so scheint mir , wird ein Zustand erreicht der Bestehen können in Aussicht stellt.Die Binnenflächen der Figuren kommen zur Ruhe.Es ist eine kompositorische Ordnung entstanden die Aussicht auf Bestand eröffnet.Kant formuliert in seiner Lehre vom Erhabenen “Glück an den Kunstwerken wäre allenfalls das Gefühl des Standhaltens”.Entronnen sein und Bestehen können sind zentrale Kategorien existentieller Erfahrungen der Gegenwart

Wolfgang Franz versucht in seiner Malerei das Ausgeliefertsein des Menschen, seine Verletzbarkeit und Gefährdung bildstrukturell und figürlich prozesshaft nachzuvollziehen. Konsequent unterwirft er sich selbst im Malvorgang extremen Bedingungen, spitzt die Situation zu indem er bewährte Muster der Bildlösung negiert.

Für W.F. scheint jedenfalls klar zu sein was Not tut. Die Unentschiedenheit der existentiellen Situation des Menschen immer wieder zu thematisieren und zu Malen, was sonst.


Schnelle Bilder

Rede von Gerhard Schaugg, anläßlich der Ausstellung Schnelle Bilder, 1997.

Wolfgang Franz hat sich nicht dafür entschieden, den Schnellen Bildern gesellschaftlicher Realität eine kontemplativ-langsame Kunst entgegenzusetzen. Er stellt sich dem hohen Tempo und versucht zeichnend und malend Schritt zu halten. Es geht hier um eine gestische Antwort auf einen narrativen Inhalt. Auf diese Weise erfolgt in kurzer Zeit eine Umsetzung und gleichzeitig eine Verdichtung der Story.


Die Malweise selbst ist es, die als Symbol, als Zeichen verstanden werden will. Es geht um den Malprozeß, um die Frage, wie kann die Bildentstehung als fortdauerndes Ereignis eingeleitet werden, so daß Bilder Dokumente werden, für einen andauernden Prozeß zwischen Werden, Vergehen, Auftauchen und Untergehen. Sein ursprünglicher Malstil, figürlich, expressiv und farbintensiv, geprägt von emotionaler Beteiligung am Schicksal der dargestellten Figur hat nun eine bemerkenswerte Neuorientierung erfahren.


Farbintensive Formen sind nun zu Farb-und Formstukturen geworden, die 
eine eigene, eigenartige Erzählkraft besitzen. Sie umgreifen oder entfalten eine ganze Scala von Möglichkeiten, von leidenschaftlich laut bis lyrisch verhalten.

Was ich persönlich faszinierend finde, ist das Phänomen, daß die Intentionen eines Malers, sein gesellschaftlich-existentielles Engagement sich erhält, spürbar bleibt, in neuer Form, mit neuen Mitteln in Erscheinung tritt.